Zehn Vorne - Liebe zur Musik: Komponist Freddie Wiedmann über seine Abenteuer bei "Star Trek: Picard"
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Podcast/Interview
In dieser Episode des Podcasts “Zehn Vorne” unterhalten wir uns mit dem Komponisten Frederik Wiedmann darüber, wie er zu “Star Trek” kam und welche Einflüsse ihn und den “Picard”-Soundtrack prägten. Er berichtet von dem spannenden Rennen gegen die Zeit, in dem jene wunderbare Musik zur dritten Staffel entstand – und von den musikalischen Themen, die er und Stephen Barton komponieren und arrangieren durften.
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Mitschrift des Interviews (gekürzt)
Michael Schuh (TrekZone.de): Hallo und herzlich willkommen!
Frederik Wiedmann: Hallo, alle zusammen. Vielen Dank, dass ihr mich ins “Studio” eingeladen habt.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Aber gerne doch.
Michael Schuh (TrekZone.de): Wir freuen uns, dass du da bist.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Frederik, du warst in der Schweiz. Wie war es im Urlaub?
Frederik Wiedmann: Im Urlaub war es sehr schön. Ich kann eigentlich relativ wenig aus meinem Studio raus, weil meine Jobs sich ständig überlappen. Ich zwing mich dann doch, im Sommer für zehn Tage mit der Familie irgendwohin zu fahren, einfach um eine Studio- und Screen-Pause zu machen, weil ich sonst wirklich nur die ganze Zeit vorm Computer sitze.
Michael Schuh (TrekZone.de): Konntest du ein bisschen Energie tanken?
Frederik Wiedmann: Ja, absolut. Nicht gearbeitet für zehn Tage.
Michael Schuh (TrekZone.de): Da sind wir schon bei der ersten Frage: Wie muss man sich als Laie denn einen Arbeitsalltag als Komponist vorstellen?
Frederik Wiedmann: Als Komponist für Filme ist man grundsätzlich selbstständig. Das heißt, du entscheidest quasi selbst, wann du ins Studio gehst, du wieder aufhörst und wie lange du an einem Musikstück arbeitest; und wann du es dann als fertig erklärst. In meinem Fall ist es so: Ich gehe um circa acht ins Studio, wenn die Kinder in der Schule sind und höre circa 3 Uhr nachmittags wieder auf, wenn sie wieder zu Hause sind. Dann kann ich mit denen ein bisschen Zeit verbringen, bei Hausaufgaben mithelfen. Ich fahre sie zu sämtlichen Aktivitäten, wie Basketball und Eislaufen, und weiß der Geier, was da alles passiert. Und meine Frau auch. Oft gehe ich abends um acht nochmals ins Studio nach dem Abendessen, noch mal bis elf oder so, um Kleinigkeiten zu machen. Bis dahin ist dann mein Kopf mehr oder weniger müde. Ich mache dann ja so Sachen, die das Gehirn nicht so anfordern. Das ist ungefähr mein Alltag. Ich versuche, am Wochenende nicht zu arbeiten, eben weil ich auch gerne mit meiner Familie zusammen bin.
Michael Schuh (TrekZone.de): An wie vielen Projekten arbeitest du in der Regel gleichzeitig – oder arbeitest du nacheinander weg?
Frederik Wiedmann: In den letzten paar Jahren gab es immer circa drei Serien, die gleichzeitig laufen. Und dann zusätzlich noch ein Film; also, vielleicht, fünf/sechs Filme pro Jahr während meiner Serien. Ist relativ viel. Man muss sehr diszipliniert, jeden Tag sehr effizient arbeiten. Ansonsten kommst du nicht an die Zielstrecke. Ich habe meinen Scheduler [Planer], ich gucke da jeden Tag rauf: Okay, ich muss noch so-und-so-viele Minuten heute komponieren, ansonsten falle ich zurück. Man braucht ungeheuer Disziplin und auch einfach die Fähigkeit, die Musik zu komponieren, selbst wenn’s jetzt gerade nicht so inspirierend ist. In der Kunst ist es ja oft so, dass, wenn man etwas kreiert, sitzt man da und denkt sich: Wie fange ich denn jetzt an? Was ist meine erste Note? Dieser bekannte “Writer’s Block” [Schreibblockade]. Den kann ich mir eigentlich nicht erlauben. Ich komponiere, ob ich jetzt inspiriert bin oder nicht. Und im Laufe der Zeit kriegt man das so ein bisschen raus, wie man das macht, ohne dass man noch stundenlang hier sitzen muss und das Ganze überdenkt; mit Themen und Harmonien. Das ist dann einfach nur “Go Time!” [Los geht’s!]
Michael Schuh (TrekZone.de): Also, man “mathematikt” dann etwas.
Frederik Wiedmann: Ja genau, auf jeden Fall.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ja, Schriftsteller haben manchmal Schreibblockaden. Musiker mit Sicherheit auch.
Frederik Wiedmann: Absolut.
Michael Schuh (TrekZone.de): Wie gehst du damit um? Hörst du dann andere Stücke, oder…?
Frederik Wiedmann: Ja. Oft ist es so, dass ich dann einfach anfangen muss. Es gibt da so eine lustige Anekdote, die mir mal ein Komponist erzählte. Ich habe leider vergessen, wer das war. Aber er hat mir gesagt … ich sage es mal auf Englisch: just start with anything, and then spend an hour deshittifying it! [Einfach mit irgendetwas anfangen und dann eine Stunde damit verbringen, es zu entmisten!] Und ich habe mir das irgendwie zu Herzen genommen, denn eigentlich ist an jeder Idee irgendwas Gutes dran. Ja, man muss einfach die Idee erstmal aufs Papier bringen und sich’s dann objektiv anschauen oder anhören, in meinem Fall, und dann sagen: Okay, ist gar nicht so schlecht! Wenn man das jetzt noch hier verändert und da verändert, dann passt es doch eigentlich ganz gut! Das ist oft einfach ein guter Ansatz, dass man einfach mal was macht, auch wenn es jetzt nicht die beste Idee ist, und dann quasi zurückgeht und sagt: Okay, das ist gar nicht so übel, hätte ich jetzt vielleicht nicht gemacht, wenn ich fünf Stunden drüber nachgedacht hätte. Vielleicht kann man ja was daraus machen. Und oft kommt dann aus den ersten Entwürfen eine tolle Idee, die man sonst nicht gehabt hätte.
Michael Schuh (TrekZone.de): Erzähl uns mal, wie dein Werdegang war.
Frederik Wiedmann: Gerne. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und ich wollte, seit ich zwölf Jahre alt bin, Filmkomponist werden. Das war für mich ein ganz früher Wunsch, was eigentlich ungewöhnlich ist. Ich hatte mich total verliebt in die Filmmusik von John Barry, James Horner und Jerry Goldsmith. Als ich so jung war, war damals alles noch anders, da mussten wir CD- und Kassetten-Spieler haben. Man kam an Soundtracks nicht so einfach ran wie heute auf Apple Music oder Spotify. Man musste dafür in den Laden. Und da gab es halt für Soundtracks nur eine kleine Sparte mit einer relativ skurrilen Auswahl. Und wenn man mal was bestellte, dann hat’s Monate gedauert, bis es aus Amerika ankam. Ich war eifriger Soundtrack-Sammler.
Ich war, glaube ich, 17 oder 18, da habe ich den Nachbarn von meiner Freundin kennengelernt, Herrn Nik Reich. Der war zufälligerweise Filmkomponist in Augsburg, wo ich gewohnt habe. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich jemanden getroffen hatte – in dieser kleinen Stadt – der so was macht. Ich habe sehr viel Zeit mit ihm im Studio verbracht, einfach auf der Couch, so fly on the wall [Fliege an der Wand], zugeguckt, wie er das macht. Und das war dann so inspirierend für mich, das hat mir den Weg geöffnet. So bekam ich diesen Job mal so richtig in der Praxis zu sehen. So habe mich dann entschieden: Das will ich jetzt machen mit meiner Karriere! Habe mich dann beworben fürs Berklee College of Music in Boston. Bin ich dann direkt nach dem Zivildienst, den hab ich in England gemacht, ich musste fürs Studium ja Englisch lernen, nach Boston gezogen. Hab das Berklee College relativ schnell durchgemacht, denn ich wollte eigentlich sofort arbeiten. Keine Lust, da viele Stunden am College rumzusitzen. Hab sämtliche Credits irgendwie im Vorfeld gemacht, sodass ich ein paar Semester überspringen konnte. So war ich dann nur zwei Jahre in Boston, hab meinen Bachelor bekommen und bin dann sofort nach Los Angeles, Arbeit suchen. Das ist für einen Ausländer gar nicht so einfach. Ich war ein bisschen naiv: Ich komm dahin und hol mir eine Wohnung, einen Assistentenjob und fertig. Aber erstmal wollte mir überhaupt niemand eine Wohnung geben! Weil ich Ausländer war. Ohne Job, ohne Einkommen und nur ein einjähriges Studentenvisum. Ein schwieriger Anfang. Hab auf Sofas von Freunden gepennt für ein paar Monate. Und so weiter.
Irgendwann hat es doch geklappt und ich bekam einen Job als Assistent für den Komponisten John Frizzell. Der hat viel gemacht. Office Space, Beavis and Butt-Head, Dante’s Peak zusammen mit James Dean Howard … und der war damals so ein A-Lister.
Frederik Wiedmann: Bei Frizzell war ich dann Assistent für vier, fünf Jahre, solo. Da hab ich mehr oder weniger alles gelernt. Die Praxis, den ganzen Prozess, wie man am Anfang die Filmmusik entscheidet bis zur Kreation, bis zur Aufnahme. Ich war dabei, wo er große Meetings hatte mit wichtigen Produzenten, die dann Musikstücke von ihm einfach ablehnten. Und dann habe ich zugeschaut, wie er mit so einer Situation umgeht. Eine wirklich super Schule, das aus erster Hand zu erleben! Wenn Warner Brothers sagt: Dieses Stück, da brauchen wir was anderes! Wie reagiert man da als Komponist? Ist man gekränkt, ist man da sauer? Oder macht man es politisch korrekt? Was schlägt man vor als Alternative? Also, das waren für mich die großen Lehrjahre.
Frederik Wiedmann: Am Ende dieser Zeit hat er mir dann geholfen, meinen ersten Film zu bekommen, das Horror-Sequel “Return to House on Haunted Hill”. Die haben einen Komponisten gesucht. Sie riefen bei ihm an. Natürlich haben sie gewusst, dass sie sich ihn nicht leisten konnten. Am Ende sagte John: Ja, du, Freddie kann das super machen, der war bei mir fünf Jahre, der ist bereit, den ersten Film zu machen. Ich mache den Supervisor! Wenn ihr irgendwie Hilfe braucht, bin ich da gerne dabei. Aber er, der macht das für euch bestimmt sehr gut! Und so hab ich meinen ersten Start bekommen als Komponist, mein erstes Soloprojekt. Seitdem hab ich mein eigenes Studio. Ich mach jeden Tag mein Networking, bei jedem Projekt. Schneeball-Effekt. Alles mündet in weitere Projekte. Beispiel: Mein erster Film. Da war ich dann sehr eng verbunden mit den Produzenten, mit dem Bild-Schneider und mit dem Regisseur. Der Regisseur hatte sechs weitere Filme gemacht, die ich alle mitgemacht hab. Der Bild-Schneider hatte drei andere Filme am Start, die ich dann auch mitgemacht hab. Der Produzent, auch weitere Filme. Bei jedem Projekt lernst du dann neue Leute kennen. Und wenn man einen guten Job macht, wenn man nett ist und wenn die Leute gerne Zeit mit dir Zeit im Studio verbringen, dann kriegst du den Anruf. Dann hast du wieder was zu arbeiten. So ging das von Projekt zu Projekt bis heute. Eigentlich war’s seit 2007 relativ busy bei mir. Was ja toll ist.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Wie kam es zu “Star Trek: Picard”?
Frederik Wiedmann: Ja, bei “Star Trek” war das so: Das Universum meinte es gut mit mir. Man träumt ja immer davon: Du hast deine Musik im Internet, auf YouTube oder Apple Music und irgendein toller Regisseur findet sie per Zufall und ruft dich an: Hey, ich habe deine Musik gehört, sie ist super, ich brauche dich für den nächsten Film! Ein Traumszenario, was eigentlich nie wirklich vorkommt. Man kennt so Geschichten erfolgreicher Komponisten. Steven Spielberg, der hat John Williams irgendwo gehört und hat ihn dann angerufen. So etwas passiert mir sowieso nie, vor allem nicht heute, bei so viel Musik im Internet … bis mich da mal einer entdeckt!
Aber ich habe einen Anruf bekommen von Terry Matalas, dem Showrunner der dritten Staffel.
Er sagte: Ja, Freddie, wir sind halbwegs durch die dritte Staffel, brauchen unbedingt noch einen Komponisten. Wir haben das ganze Saisonfinale mit deiner Musik von diesem australischen SciFi-Film “Occupation: Rainfall” vor-vertont. Man schneidet ja immer existierende Musik rein; das ist Teil der Schnitt-Prozedur, sodass man ein Gefühl bekommt für die Episode [bevor die offizielle Musik da bzw. fertig ist]. Und die hatten meinen sehr unbekannten Science-Fiction-Soundtrack dieses vier/fünf Jahre alten Alien-Invasion-Films online gefunden. Den hatte ich selbst ins Internet gestellt, es war ein Indie-Projekt.
Frederik Wiedmann: Sie fanden den Score [Soundtrack] so geil, dass das ganze Finale damit [in seiner Vorversion] unterlegt war. Und da sie jetzt einen neuen Komponisten suchten für die dritte Staffel, haben Sie eben gesagt: Ja, wer hat das denn alles hier komponiert? Den brauchen wir! Und so haben sie gesucht, im Internet gefunden, auch meine Telefonnummer und mich angerufen und buchstäblich: Hey, dein Sound ist super. Genau das brauchen wir. Hast du Zeit? Fang heute an! Wir haben die Episode bereit für dich! Ich dachte mir so: Okayyyy. Den Anruf wollte ich schon immer haben. Da sag ich mal am besten zu, auch wenn ich relativ viel am Hut habe.
Ja, der Schneider hatte einfach meinen Soundtrack gefunden, den [provisorisch] reingeschnitten, und dann haben sie gesagt: Ist gut. Den brauchen wir! Und dann habe ich natürlich sofort “Ja!” gesagt. Hey, “Star Trek”! Wer sagt schon nein zu “Star Trek”?
Ich bin ja selbst großer Fan von “Next Generation”, schon als Kind in Deutschland. Da gab es ja im Fernsehen buchstäblich nichts anderes, außer “Fred Feuerstein”, “Star Trek: The Next Generation”, “Bonanza” und … ja, so ungefähr.
Michael Schuh (TrekZone.de): Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen: Wie du selbst zu “Star Trek” stehst. Ja, das ist sicher wie ein Sechser im Lotto für dich gewesen.
Frederik Wiedmann: Absolutes Traum-Szenario. Wie gesagt, man träumt die ganze Karriere von so einem Anruf. Und dann kommt er plötzlich. Es war überwältigend. Und dann war’s wirklich so: Drop everything, start now! [Lass alles stehen und liegen, fang an!] Sie schickten mir die erste Episode und ich hab sofort angefangen. Von da an bis zum Schluss war es ein Mega-Race. Fernsehen hat ja unglaublich kurze Deadlines. Du hast zwei Wochen für eine Episode. Wer “Picard” gesehen hat, weiß, jede Episode ist ja eigentlich ein Film mit unglaublich viel Musik; sehr komplex, Jerry Goldsmith, James Horner, pipapo. Wir haben jede Episode mit einem 80-Personen-Orchester aufgenommen. Für mich bedeutete das technisch sehr viel Vorbereitung.
- Man muss die Musik komponieren
- Du musst sie abgesegnet bekommen
- Du musst den Mock-up machen, sodass die Produzenten das vernünftig anhören können – mit deinem elektronischen Orchester
- Und dann muss der Orchestrator ran und das Ganze auf Papier bringen
- Alles muss zugeschickt werden, ausgedruckt
- Jeder braucht die eigene Musik: die Streicher, die Bläser, das alles muss auf dem Podium stehen
Innerhalb von zwei Wochen: fertig komponiert, ratzfatz alles aufnehmen, mischen lassen. Und weiter zur nächsten Episode, ohne wirklich da mal groß Luft zu holen. Inmitten des Prozesses, der war so rapide, hab ich eigentlich nicht viel mitbekommen. Als es dann vorbei war, saß ich dann in meinem Studio und es gab einen Moment, wo ich dann erschöpft dastand und mir so dachte: Holy shit, this just happened? Okay! Jetzt sind ‘mer fertig. Und jetzt habe ich gerade 140 Minuten “Star Trek” komponiert. Cool. Wow. Diese Realisation kam später, als der ganze Spuk vorbei war. Auf jeden Fall ein Sechser im Lotto, ja!
Martin Ackermann (TrekZone.de): Ziemlicher Zeitdruck.
Frederik Wiedmann: Ja, absolut. Die waren sehr unter Zeitdruck. Aus dem Grund haben sie ja auch einen zweiten Komponisten gebraucht, weil der Stephen [Barton, Komponist der dritten Staffel] war einfach … Das Projekt war so ambitioniert im Vergleich zu der zweiten und ersten Staffel, musikalisch gesehen! Das war wie so eine Weltraumoper, Riesenmusik, Themen und alles durchkomponiert.
Generell im TV ist es so, da wird viel Musik von vorherigen Episoden genommen und in die neue Episode reingeschnitten, sodass man nicht jedes Mal das ganze Ding komplett komponieren muss. Einfach aus Zeitgründen wird das so gemacht. Aber hierbei ging das nicht. Terry wollte auch wirklich nur das Beste haben. Und dann war eben das Konzept: Wir komponieren wirklich jedes Stück von vorne bis hinten, um die Geschichten gut zu erzählen, mit der Musik, mit der Schauspielerei. Das hat die Serie einfach verdient. Das ist dieses attention to detail [Detailtreue]. Aus diesem Grund hatte Stephen irgendwann bei Episode 4 oder 5 diesen Punkt erreicht: Hey, wenn wir das so machen, dann brauchen wir Hilfe, sonst müssen wir dieses Konzept aufgeben. Und das wollen wir nicht. Die Qualität sollte bleiben. Und so kam es zu Gesprächen über zwei Komponisten. Glücklicherweise fiel die Wahl auf mich. Aus dem Zeitdruck heraus und wegen der Liebe zu dem Projekt, dass alles wirklich bis zum kleinsten Detail perfekt gemacht wird: Das war dann der Grund, warum mehr Leute gebraucht wurden.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Wahrscheinlich war die Herausforderung auch ziemlich groß, einen musikalischen Stil herauszubekommen – zwischen Horner, Goldsmith und auch dir.
Frederik Wiedmann: Ja, und Stephen. Denn Stephen Barton hatte ja schon angefangen. Ich kam zur Halbzeit mit rein, quasi. Stephen hatte schon Themen angesetzt und viel vom Stil der Musik vorgegeben. Ich musste mich nach seinem Sound richten und nach dem von Horner und Goldsmith und Dennis McCarthy und Alexander Courage, die ganzen “Star Trek”-Legenden. Ein Mischmasch und trotzdem homogen. Es war die große Herausforderung für mich:Wie kann ich mich da sofort anpassen, sodass es am Ende wie aus einem Guss ist?
Michael Schuh (TrekZone.de): Hast du direkt mit Stephen Barton zusammengearbeitet oder hat jeder für sich irgendwie seinen Part gemacht? Habt ihr zusammen im Kämmerchen, im Studio gesessen … einer macht die Bass-Spur, der nächste die Violinen?
Frederik Wiedmann: Wir hatten von Anfang an eine super Arbeitsbeziehung. Kreativ und zwischenmenschlich. Sofort auf einer Wellenlänge. Es war Terrys Wunsch, dass wir jeweils komplette Episoden machen. Stephen war bei Episode 6, ich habe dann mit 7 angefangen, die komplett alleine gemacht. Er hat 8 gemacht, ich Episode 9. Ein Megading! 68 Minuten Showdown-Finale.
Und da haben wir dann gesagt: Die 10 machen wir zusammen. Er 35 Minuten, ich 35 Minuten. Kollaboration fand dann wirklich in dieser Episode statt. Doch selbst hier hatten wir weiterhin eigene Stücke. Komplett. Da gab’ dann nie: Du machst den Base und ich mach den Top. Haben wir nicht gemacht. Wir haben Themen geteilt. Hey, ich habe da ein cooles Borg-Theme! Hab ich ihm geschickt. Vielleicht kannst es ja integrieren in eins von deinen Stücken. Oder er hat mir sein Titan-Theme gegeben und das Family-Theme; sodass wir die Themes quasi homogen einbinden können.
Michael Schuh (TrekZone.de): Kanntet ihr euch schon vorher?
Frederik Wiedmann: Nein.
Michael Schuh (TrekZone.de): Habt ihr euch da kennengelernt?
Frederik Wiedmann: Ja.
Michael Schuh (TrekZone.de): Okay.
Frederik Wiedmann: Ja, das war komplett neu und hat super geklappt. Ganz netter Typ. Hat großen Spaß gemacht.
Michael Schuh (TrekZone.de): Habe ich mir mit ihm auch schon angeschaut. Macht auch einen sehr sympathischen Eindruck.
Frederik Wiedmann: Ja, also sehr talentiert.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ja, auf jeden Fall. Ich liebe euren Soundtrack. Der läuft rauf und runter.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Ich habe den sogar als Klingelton.
Frederik Wiedmann: Und welches Stück?
Martin Ackermann (TrekZone.de): “Make it so!” Den Schluss hab ich so geschnitten, dass ich’s tatsächlich als Klingelton habe.
Frederik Wiedmann: Also “Make It So” hat eine kleine Funny Story, wenn ihr das hören wollt.
Michael Schuh und Martin Ackermann: Ja, gerne.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Immer her damit.
Frederik Wiedmann: “Make It So” war ja meine Episode. Ich hatte 7 schon fertig, fühlte mich sehr sicher in dem Projekt. Terry war schon sehr happy mit meiner Musik. Alles hatte gut geklappt. Ich freute mich: Okay, this is fun and they like me, they still like me. [Das macht Spaß! Und sie mögen mich. Mögen mich noch.]
Und dann kam Episode 9. Und Terry sagt so: Hey, ich weiß nicht, was du für diese eine Szene machen solltest. Ich denk mir so… keine Ahnung, ob wir das je hinkriegen. Du musst es auf jeden Fall versuchen. Also, das ist die Szene, wo die ganze Crew wieder auf die alte Enterprise geht, während die Welt quasi zerstört wird, ein paar Lichtjahre entfernt. Es ist der Moment, auf den alle Trekkies gewartet haben. Mehr oder weniger der wichtigste Moment in “Star Trek”-History, vor allem in Modern History, den du da jetzt vertonen musst. So, no pressure. Aber good luck!
Ich glaube, ich habe noch nie körperlich so geschwitzt und mich noch nie so sehr in ein Stück investiert. Ich saß im Studio mit Schweißtropfen. Mein Genick tat mir weh, weil ich so gestresst war. Ob es wirklich gelingt?
Ich bin unserem Bildschneider Drew Nichols sehr dankbar, der absolut genial ist mit Temp-Musik. Er hat mir eine Roadmap gegeben: Da muss Goldsmith anfangen, hier brauchen wir das “Next Generation”-Thema von [Goldsmith und] Courage, hier brauchen Horner. So wusste ich wenigstens ein bisschen, wo was hinkommt. Daraus musste ein tolles Stück werden.
Ich schickte die erste Version an Terry und saß dann beim Dinner und checkte ständig mein Telefon, schaute nach Feedback. Es kam nichts. Bis nachts um elf. Ich lag im Bett, immer noch nichts. Ich dachte mir: Okay, jetzt haben sie mich, glaube ich, gefeuert. Und ich werde es morgen früh herausfinden. Am nächsten Morgen auch immer noch nichts. Und ich dachte: Wieso schreibt mir er mir nicht zurück? Ich muss wissen, wo ich da stehe, ob das gut ist oder schlecht, oder ob wir’s neu machen müssen. Und dann ruft mich Terry irgendwann im Laufe des Tages an. Ich hebe ganz nervös ab. Hey, ich habe es noch nicht angehört, Ich brauchte einen klaren Kopf dafür, ich höre es aber heute Abend.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Oh Mann!
Frederik Wiedmann: Irgendwann hat der Bildschneider getextet: Hey, its great, f***ing great. Wenigstens er fand es schon mal gut. Dann rief Terry an: Hey, super!
Wir änderten ein paar Kleinigkeiten. Aber im Grunde blieb das Stück so wie es war. Das war für mich ein emotionaler Rollercoaster für zwei Tage. Und vor allem, wenn man dann am Podium steht und dirigiert und alles kommt zusammen … Ein unglaublicher, einzigartiger Moment.
Bei der Aufnahme haben wir eine große Kino-Leinwand hinterm Orchester, auf der wir alles sehen, was so in der Szene passiert. Da stehst du dann mit dem Orchester vor dir. Sie spielen Goldsmith. Du siehst die Enterprise. Und du denkst dir so: This is exactly what I’ve been waiting for my whole life! [Das ist genau das, worauf ich mein ganzes Leben lang gewartet habe!]
Martin Ackermann (TrekZone.de): Ich hab so geheult.
Michael Schuh (TrekZone.de): Viele haben geheult.
Frederik Wiedmann: Gut!
Michael Schuh (TrekZone.de): Es war wirklich so! Du hast alles richtig gemacht mit der Szene. Das ganze Internet hat bekundet, dass sie Tränen in Augen hatten. Sehr emotional für alte und neue Fans.
Frederik Wiedmann: Das macht mich sehr glücklich.
Michael Schuh (TrekZone.de): Kannst du auch sein. Das schaff erst mal.
Frederik Wiedmann: Hat sich doch jeder Schweißtropfen gelohnt.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Aber sowas von.
Michael Schuh (TrekZone.de): Was ist der Unterschied zwischen Jerry Goldsmith und James Horner [für euch Komponisten]? Seid ihr das mathematisch angegangen? Wie zerlegt man da einen Komponisten, der die ikonischsten Themen überhaupt geschrieben hat? Wie man macht daraus sein ganz eigenes Ding? Es ist ja was Eigenes geworden letztendlich.
Frederik Wiedmann: Eine sehr gute Frage. Es ist schwierig, das wirklich genau zu erklären. Bei Goldsmith und Horner ist es glücklicherweise so, das sind zwei Komponisten, die ich verehre, seit ich zwölf Jahre alt bin. Und deswegen bin ich sehr eng mit dem Sound verbunden. Ich weiß sofort: Ah, das ist Goldsmith. Ah, das ist Horner. Ich weiß nicht, ob das mathematisch zu erklären ist. Die emotionale Sensibilität der beiden Komponisten ist spezifisch und präzise. Man erkennt sie sofort. Wenn man ein guter Musiker ist, das Know-how hat, dass man weiß, wie’s auf dem Notenpapier aussehen würde, dann kann man das relativ leicht erkennen. Horner würde jetzt diesen Akkord nehmen, mit dieser Melodie. Goldsmith würde das so machen. Man kann sie harmonisch, melodiös und orchestral unterscheiden. Horner macht viel mehr mit dezenten Hölzern und Streichern. Goldsmith ist mehr so ein bisschen größer, mit Percussion und Brasse. Sowas kann man als Elemente nehmen und einbauen. Dann bekommst du einen Hybrid-Sound.
Stephen hatte eine interessante Idee gehabt mit seinem Titan-Theme, das war ein Original. War kein Horner, kein Goldsmith. Doch die Idee war schon, ein “Star Trek”-Thema zu komponieren mit Horner-Gefühl. Aber ein bisschen mehr “Titanic” als “Star Trek”. Terry sagte immer, Titan sei kein Spaceship, sondern ein Schiff, das den Hafen verlässt. Das war das Konzept. Die Frage war: wie würde das James Horner machen, wenn jetzt die Titanic aus dem Hafen läuft? Man muss eben viel von Orchestration verstehen und von Instrumenten, dass man eben genau das kreieren kann; mit eigenen Themen, mit neuen Versionen alter Themen, sodass es authentisch klingt.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Mein Großonkel war Generalmusikdirektor, Komponist und Dirigent. Als ich mit ihm mal den ersten “Star Trek”-Kinofilm durchgegangen bin, sagte er, dass sich Goldsmith sehr an Johann Strauss orientiert, vom Melodischen her. Es war sehr interessant für mich zu hören, dass die großen Filmkomponisten sehr in die alten klassischen Komponisten gehen.
Frederik Wiedmann: Absolut, absolut. Und man kann das oft sehr, sehr gut hören, wo die Inspirationen herkommen. John Williams zum Beispiel: Strawinsky und Prokofjew. Hört man.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Gab es musikalische Motive oder Leitthemen, die du für die neue Staffel mitentwickelt hast?
Frederik Wiedmann: Das Stück “Dominion” aus Episode 7. Es steht so ein bisschen alleine da im Ganzen. Es fängt mit einem klassischen Klavier an. Dann kommt ein Solo -Cello. Wir haben im Soundtrack kein zweites Stück dieser Art.
Frederik Wiedmann: Das Konzept von Terry war, dass wir einen ganzen Take von Vadic, von Anfang bis Ende, siebeneinhalb Minuten, vertonen. Er wollte das als eine Sequenz, in einem Stück, in Schichtungen. Immer noch eine neue Schicht, noch eine, immer größer und größer, immer emotionaler, bis zum Schluss. Ein siebeneinhalb Minuten langes, sich entwickelndes Stück. Das ist relativ selten im Fernsehen. Als die Zeit kam, das zu dirigieren, haben die Geiger geblättert und geblättert, wann das Stück mal endet. Wir scherzten dann rum: Yes, we are still on a TV show! [Ja, wir sind immer noch in einer Fernsehsendung! Alle haben gelacht. So etwas gibt es eigentlich nur in Kinoproduktionen. Das war ein spezielles Stück.
Ich habe auch das Borg-Thema gemacht. Sehr bedrohend, mit viel Blech und tiefen Streichern. Ich habe auch ein Jack-Thema gehabt, das zu diesen zwischenmenschlichen Themen gehört, mit Picard und Jack, wo sie sich so langsam aneinander annähern. Alle anderen Themes waren im Stil des Familien-Themas und des Titan-Themas. Es gab noch zwei, drei mehr. Das waren die Hauptthemen. Und natürlich Goldsmith, Horner, McCarthy, Courage. Da gibt es ja so wahnsinnig viele tolle Melodien, die wir verwenden durften.
Michael Schuh (TrekZone.de): Das Album ist was Eigenständiges geworden. Als die Enterprise durch den großen Giga-Cube fliegt, wie da das Next Generation Thema variiert wurde: Wow! Ich war total begeistert.
Frederik Wiedmann: Das war auch mein Stück.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ich weiß nicht, ob du’s mitbekommen hast, das Fandom ist ein bisschen gespalten, was das neue und das alte Trek angeht.
Frederik Wiedmann: Ja.
Michael Schuh (TrekZone.de): Aber bei allem sind sie sich einig, und zwar, dass die Musik für die dritte Staffel grandios ist.
Frederik Wiedmann: Super. Ja, das war das große Konzept: Wir müssen was kreieren, was den alten Trek-Fans gefällt, aber modernisiert in Orchestration, Reharmonisierung und in der Produktion.
Michael Schuh (TrekZone.de): Du sprichst von Orchestration, von Partituren. Ich weiß, was das ist. Aber kannst du das mal für Laien beschreiben?
Frederik Wiedmann: Ja, klar. Also ich kreiere ja meine Musik im Computer. Eine digitale Version. Ich arbeite mit Logic, dieser Software von Apple, wo man Musik sequenzieren kann. Virtuelle Instrumente, Orchester, Streicher, Bläser, Hölzer, Percussion, alles ist da. Man kann arrangieren und komponieren, während der Film mit in die App geladen ist. Und dann kannst du direkt vertonen. Ein sogenannter Mockup entsteht. Ein Mockup ist quasi eine digitale, künstliche Version des Orchester-Recordings. Das klingt oft nicht so toll, aber ich bin relativ gut darin. Aber es ist nicht so gut wie das echte Ding im Endeffekt. Aber gut genug, sodass Leute wie Terry oder andere Filmemacher sich’s anhören und relativ gut entscheiden können: Ja, das wird funktionieren…
Früher gab es Klavier-Sketche. Keine Sequencer. Komponist John Williams musste Filmemacher Steven Spielberg ins Studio holen. Williams hat dann auf dem Klavier vorgespielt: Ja, E.T. fliegt jetzt hoch und dann spiele am Klavier dies-und-das. Spielberg musste sich alles vorstellen, wie das dann klingen wird mit Streichern und Hölzern. Heute ist es nicht mehr der Fall. Wir können relativ gute Repräsentationen der Musik abliefern.
Die kann dann im Schnittraum direkt reingeschnitten werden [als Vorversion], was sehr hilfreich ist für den Bildschneider. Wenn’s dann zur Orchesteraufnahme geht, muss das Ganze aufs Papier gebracht werden. Da kommt dann ein Orchestrator ins Spiel, der dann meine digitale Datei nimmt und auf professionelles Notenpapier aufschreibt, in eine sogenannte Partitur umformt. Oben die Hölzer, dann die Bläser, Percussion, Harfe, Klavier und unten dann die Streicher. Das ist so das generelle Format der Partitur. Und da ist alles drauf, jede Note, jede Artikulation. Spielen die mezzo piano? Forte? Ist da ein crescendo oder ein decrescendo? Alles wird detailliert aufgeschrieben…
Lautstärke-Dynamiken in der Musik | Bedeutung |
---|---|
mezzo piano | mittel leise |
forte | laut |
crescendo | allmählich lauter werdend |
decrescendo | allmählich lauter werdend |
Frederik Wiedmann: …sodass, wenn ein Orchester es abspielt, es 95% korrekt ist. Man macht ein paar Anpassungen im Laufe der Aufnahme-Sessions.
Wenn die Partitur fertig ist, geht sie an eine weitere Position, den Copyist, der dann jedes Instrument vereinzelt und ausdruckt, sodass die Flöte nur die Flöte sieht und nicht die Streicher und die Bläser. So entsteht für jedes Musikstück eine ganze Partitur – mit je 50 individuellen Parts, die dann im Orchester verteilt werden.
Man muss sich vorstellen, das ist nur ein Stück. Jede Episode hat um die 33 verschiedenen Stücke. Und wir haben zwei Wochen [je Episode], sowas zu machen! Also, das ist eigentlich Mission Impossible. Aber irgendwie geht’s doch immer.
Michael Schuh (TrekZone.de): Und gespielt wird es dann von 80 Leuten.
Frederik Wiedmann: 80 Leute, ja. Und die spielen es buchstäblich vom Blatt.
Michael Schuh (TrekZone.de): Keine Probe, kein Üben?
Frederik Wiedmann: Keine Probe. Die Musiker kriegen die Musik nicht im Vorfeld. Die tauchen auf bei der Recording-Session, setzen sich hin, gucken sich’s vielleicht für zwei Minuten mal an, üben vielleicht ein paar schwierige Parts für sich selbst, ein paar Sekunden. Aber das war’s. Und dann: OK! Take 1! Und dann wird gespielt.
Wenn du an Orten wie LA und London aufnimmst, hast du die besten Musiker der Welt. Sie spielen das vom Blatt, als wäre es nichts. Es klingt im Take 1 [in der ersten Aufnahme] schon sensationell. Und wenn du einen guten Orchestrator hast, der’s gut übersetzt hat [von der Sequencerdatei zum Notenblatt], und wenn alles stimmt mit der Balance, dass die Streicher nicht zu laut sind oder die Bläser nicht zu viel. Du musst wirklich jemanden haben, der das so gut versteht, sodass Take One schon fast korrekt wird. Du hast nicht die Zeit, eine Stunde pro Stück rumzufummeln. Falsche Noten oder sowas, das geht gar nicht. Du brauchst also das absolute Top-Level und eine Professionalität, dass das auch wirklich alles stimmt.
Wir haben in drei Stunden fast 30 Minuten Musik aufgenommen, was wahnsinnig viel ist. Aber das geht eben nur, wenn alles wirklich stimmt, von der Vorbereitung bis zum Tonmeister. Auch die Click-Tracks, die wir haben für das Orchester brauchen. Die hören ja alle einen Klick, dem sie synchron folgen [Metronom]. Der ist wiederum synchron mit dem Szenenbild. Das muss ja passen, muss genau aufgenommen werden, wie ich’s komponiert habe. Und alle Komponenten müssen perfekt stimmen. Wenn man ständig irgendwas reparieren muss, dann wird das nichts.
Michael Schuh (TrekZone.de): Und deine Partitur dirigierst du dann alleine? Und Stephen Barton dirigiert seine? Wechselt ihr euch da ab? Wer grad Zeit hat? Wie muss ich mir das vorstellen?
Frederik Wiedmann: Ja, genau. Stephen hat seine Sachen dirigiert, ich habe meine Sachen dirigiert. Meine Frau, mit der ich jetzt schon fast 20 Jahre zusammen bin… Wir haben uns am Berklee kennengelernt. Sie ist auch Komponistin und sehr, sehr gut im Dirigieren. Und sie ist auch mein Orchestrator, sehr praktisch. Sie dirigiert für mich meistens, was toll ist, da sie ja die Partituren geschrieben hat. Sie weiß genau, wo was sein muss und kann schneller regeln, wenn irgendwas nicht stimmt, da sie den kompletten Überblick hat. Und ich sitze im Booth mit dem Tonmeister und fokussiere mich auf den Sound und kann dann Feedback geben, was ich verändern will.
Mein Problem ist, wenn ich dirigiere, bin ich zu beschäftigt. Mache ich alles richtig? Jetzt kommt der Flöteneinsatz! Man muss ja jedem Musiker den Einsatz geben. Ich kann mich dann nicht gut auf die Performance konzentrieren, wenn ich so viele andere Sachen im Kopf hab.
Michael Schuh (TrekZone.de): Verstehe.
Frederik Wiedmann: Ich sitze dann viel lieber im Studio-Booth, höre genau hin, dass ich dann sagen kann: Ja, die Flöten waren ein bisschen zu laut; Posaune bisschen weniger; die Tuba war…. Da kann ich mich auf das Resultat fokussieren, das ich haben will, ohne dirigieren zu müssen, ohne dass mich Dirigier-Patterns und Einsätze ablenken.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Du und deine Frau seid ein tolles Team.
Frederik Wiedmann: Allerdings.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Bei so einer Aufnahme-Session haben wir also ein großes Orchester, einen Dirigenten, dich, der im Booth sitzt und zuhört. Wie viele Personen sind noch dabei? So um die 100?
Frederik Wiedmann: Etwa 80 im Orchester, die Musiker, ein Dirigent, eine Person, die diese ganzen individuellen Parts machtm falls es einen Fehler gibt, korrigieren, neu drucken, aufs Pult stellen. Diese sitzt am Computer, sofort bereit: Hey, die Trompete ist falsch transponiert, wir müssen das neu ausdrucken. Das macht er ganz schnell. Dann hast du einen Orchestrator. Also in meinem Fall: mein Orchestrator dirigiert. Aber im Normalfall sitzt der Orchestrator im Studio und liest mit. Und wenn ich jetzt sage: Mir gefällt das hier nicht, können wir das verändern?, dann kommt er mit Ideen an mich heran. Dann gibt es einen Tonmeister, der alle Mikrofone managt. Und dann gibt den Pro-Tools-Engineer, der an einem anderen Computer sitzt, auf “record” drückt und die ganzen Aufnahmen organisiert, sodass wir später bei der Mischung nicht unsere Nerven verlieren. Das ist im Grunde das Hauptteam. Jeder Komponist hat so ein oder zwei Assistenten. Ich habe zwei, die dann einfach dabei sind, die können aushelfen. Deswegen siehst du, wenn du einen Film anschaust und es kommt zur Musik…
Martin Ackermann (TrekZone.de): …da kommen dann viele im Abspann.
Michael Schuh (TrekZone.de): Auf jeden Fall.
Martin Ackermann (TrekZone.de) Wahnsinn.
Michael Schuh (TrekZone.de): Stephen Barton hat in einem Interview erzählt, dass bei ihm oftmals Terry Matalas mit im Studio war und hinter ihm gesessen hat und sagte: Ja, hier mal höher, hier mal ein bisschen tiefer.
Frederik Wiedmann: Das stimmt wirklich.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ist er so musikalisch? Weiß er einfach nur, was er will, reagiert er intuitiv?
Frederik Wiedmann: Also ja, das ist auf jeden Fall Realität. Zu mir ins Studio kam Terry zwar nicht, aber Stephen hat sehr oft mit ihm zusammengearbeitet, vor allem fürs grobe Konzept. Das Titan-Thema, zum Beispiel. Das musste ja wirklich richtig sein, das wurde ja ständig verwendet.
Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der nicht professioneller Musiker ist, aber so ein unglaubliches Wissen hat, was Soundtracks und Musik betrifft. Oft ist es ja so, dass du Regisseure oder Produzenten hast, die sagen Sachen wie: I don’t like French Horns. [Ich mag keine Waldhörner.] Eigentlich reden sie von Flöten, aber wissen es nicht.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ja.
Frederik Wiedmann: Aber Terry ist da ganz anders. Er kennt alles an “Star Trek”-Musik. Du spielst ein Stück aus irgendeinem Film und er weiß sofort: Oh ja, das passiert in dem Film an der Stelle, jener Komponist hat das gemacht. Das war unglaublich hilfreich. Er konnte sich sehr spezifisch mitteilen. Hey, Dennis McCarthy, Next Generation, die eine Szene, sowas brauchen wir hier. Er meint das dann auch so. Das sind dann auch nie nostalgische Erinnerungen. Das ist dann wirklich spezifisch. Er weiß sehr viel über Musiktheorie, über Instrumente und Orchestration. Da kommt sehr konstruktives Feedback. Hey, die Trompeten fühlen sich ein bisschen hoch an. Wie wäre eine Oktave tiefer? Solche Sachen führen normalerweise bei Komponisten zum Augenrollen. Kannst du bitte mal deine Sachen machen und ich mache meine Sachen, okay? Aber bei Terry war das überhaupt nicht der Fall. Er hat ein unglaubliches Verständnis von Musik, eine sehr gute Sensibilität. Er weiß wirklich genau, was funktioniert und hat eine ganz konkrete Vorstellung vom Gesamten. Wir wissen einfach immer, was wir machen müssen. Wir können uns komplett darauf fokussieren, die beste Version daraus zu machen.
In Filmen und Serien ist es oft so, dass Leute nicht genau wissen, was sie wollen. Dann muss man rumprobieren. Hey, wie wäre es damit? Okay, geht nicht? Okay. Dann lieber das? Das nenne ich “shooting in the dark”, weil man nicht weiß, wen man trifft. Es kann frustrierend sein, wenn man nicht weiß, was sie wollen. Ich kann diesen Film nicht wirklich begreifen, wenn mir keiner eine konkrete Anweisung vorgibt. Bei Terry war das eben gar nicht der Fall. Er so: Dein Temp von deinem australischen SciFi-Film ist perfekt! Das brauchen wir! Aber mehr Trek! Okay? Bei so einer Anweisung, weiß ich genau, was ich tun soll. Es unglaublich hilfreich jemanden zu haben, der so ein Wissen hat, so ein Verständnis und die Sensibilität für Filmmusik, wie Terry Matalas.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ja, schön! Also war es ein leichtes Arbeiten?
Frederik Wiedmann: Es war zeitmäßig unglaublicher Druck, aber aus dieser Perspektive war es unglaublich easy. Zudem haben wir wirklich nur mit Terry gearbeitet, was auch ungewöhnlich ist für eine Serie von diesem Kaliber. Normalerweise kriegst du Network-Notes, Feedback von Produzenten, Feedback vom Regisseur, Feedback vom Showrunner und vielleicht vom Studio. CBS, Paramount und so. Doch bei uns Terry der einzige Ansprechpartner. Wir schicken’s zu Terry. Und wenn Terry sagt, es ist gut, dann ist’s fertig. Keine Diskussion. Sehr gut für uns.
Michael Schuh (TrekZone.de): Würdest du sagen, du hattest bei dem Projekt genug Freiheiten? Hättest du dir mehr Freiheiten gewünscht? Falls ja, wie hätte dein “Star Trek” geklungen?
Frederik Wiedmann: Terry hat mir absolut genug Freiheit gegeben. Ich würde sagen, das würde nicht anders klingen.
Michael Schuh (TrekZone.de): Super.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Die Arbeit an Star Trek, hat die deine Sichtweise auf Filmmusik Einfluss genommen? Hat sie beispielsweise deinen Einsatz für kommende Projekte auch ein bisschen verändert…?
Frederik Wiedmann: Ja, ich glaube, jedes Projekt macht das ein bisschen. “Star Trek” vermutlich ein bisschen mehr, weil es eben sehr ein sehr wichtiges Projekt war. Ich habe unglaublich viel dabei gelernt. Ich habe sehr viel Analyse gemacht in der Zeit, viel Goldsmith und Horner angehört; wirklich, analytisches Zuhören. Ich bin mir sicher, dass mich das weiterhin begleitet, dieses Wissen; Orchestration und Arrangement. Es wird mich bestimmt beeinflussen in weiteren Sachen.
Ich komponiere ja für eine Serie. Sie heißt “Der Prinz der Drachen” bzw. “Dragon Prince”, auf Netflix. Ich habe mich schon ertappt, dass ich da Sachen machen, die ich in “Star Trek” gemacht habe…
Michael Schuh (TrekZone.de): Aber ist es nicht normal? Guck Dir James Horner an! Den erkennst Du teilweise deshalb, weil er viele Phrasierungen in den nächsten Film mit übernommen hat!
Frederik Wiedmann: Absolut.
Michael Schuh (TrekZone.de): Ich weiß noch! “Cocoon”! Da habe ich nebenbei Hausaufgaben gemacht. Da war auch noch Kind. Hab den Film laufen lassen. Und dachte: Hä? Moment! Das ist doch genau das Thema, was auch in “Zorn des Khans” verwendet wurde…
Frederik Wiedmann: Ja.
Michael Schuh (TrekZone.de): Aber das macht doch irgendwie jeder Komponist, oder? Das hat schon der olle Bach gemacht, damals!
Frederik Wiedmann: Absolut, ja. Ich glaub, wir machen oft Versionen von uns selbst, ohne es wirklich zu wissen. Das ist auch okay, solange es genau das Gleiche ist.
Michael Schuh (TrekZone.de): Hattet ihr Kontakt zu Jeff Russo? Habt ihr euch an seiner Musik mit orientiert? Oder habt ihr komplett bei Null angefangen?
Frederik Wiedmann: Bei Null. Die Idee war, dass die dritte Staffel ein eigenes Ding werden sollte, unabhängig von Staffel 1 und 2.
Michael Schuh (TrekZone.de): Okay. Und die nächste Frage wäre: Hat dir “Star Trek” jetzt Türen geöffnet?
Frederik Wiedmann: Das ist noch schwer zu sagen. Es ergab sich bisher keine Gelegenheit direkt wegen “Star Trek”. Aber mir haben viele Leute gemailt; Leute, mit denen ich schon lange nicht mehr gesprochen hatte. Filmemacher, Produzenten, Studio, et cetera. Die hatten “Picard” gesehen, meinen Name gelesen und mich angeschrieben: Hey! Great Job! Hab’s gerade angeguckt! Super!
Und das ist natürlich ein tolles Erlebnis. Bei meinen Projekten ist es oft so, dass sie ein richtig großes Publikum haben. Ich mache viel Sachen für Kinder, Animationen und so. Die Kinder erkennen es vielleicht wieder. Aber jetzt nicht unbedingt Erwachsene, Regisseure oder Produzenten. Aber diesmal war es eben so, dass ich da relativ viel Anerkennung bekam von wichtigen Leuten, die ich schon immer mal beeindrucken wollte. Ich bin mir sicher, dass sich langfristig was ergeben könnte.
Michael Schuh (TrekZone.de): Hollywood steht ja zurzeit still. Spürst du da auch schon Auswirkungen? Bahnt sich da was an?
Frederik Wiedmann: Ja, klar! Ein paar Filme, die eigentlich hätten passieren sollen, sind jetzt auf Eis gelegt, bis sich das Ganze geregelt hat. Gott sei Dank mache ich relativ viel Animation. Also, ich mache noch immer drei Serien im Moment. Animation ist für Schauspieler und Drehbuchautoren ein anderer Vertrag, der ist davon noch nicht beeinflusst.
Aber man merkt es schon. Sehr viele meiner Freunde und Kollegen sind im Moment in Limbo und machen gar nichts wegen dieser ganzen Geschichte. Es ist schwierig. Vor allem machen wir uns alle Sorgen ums nächste Jahr. Ich bin ja in der Postproduktion. Nach Filmdrehs geht es ja immer in die Postproduktion, wo Sound, Ton, Musik. Was jetzt gedreht werden würde, ginge Anfang nächsten Jahres in die Postproduktion. Da jetzt nichts gedreht wird, gibt es nächstes Jahr nichts für uns zum Arbeiten. Das ist schon ein wenig besorgniserregend.
Michael Schuh (TrekZone.de): Wenn wir das jetzt mal hypothetisch durchspielen: Es zieht sich ja zwei, drei Jahre hin. Hast du eine Alternative, was du machen könntest? Würdest du als Musiker arbeiten wollen? Würdest du Komposition unterrichten? Würdest du, ich sag jetzt das jetzt mal ganz blöd, irgendwo in einer Band spielen? Du bist ja Jazzmusiker.
Frederik Wiedmann: Ich bin wirklich kein guter Gitarrist. Das mit der Band, das würde eher scheitern. Ich könnte natürlich unterrichten. Aber ich würde mich wahrscheinlich ein darauf konzentrieren, mehr deutsche Sachen zu machen. Ich habe meinen Fuß in der Tür der deutschen Szene. RTL und Filmemachern in Deutschland. Da würde ich versuchen, da ein bisschen mehr zu machen während dieser Zeit, bis es sich hier langsam erholt.
Ich habe diesen “Miss Merkel”-Film für RTL gemacht vor kurzem und ein paar andere Serien für RTL und VOX.
Unterrichten ist natürlich immer eine Option. Ich habe ja lange unterrichtet an der USC, in deren Film-Scoring-Zweig hier in Los Angeles. Das war eine ganz schöne Zeit. Ich hab damit aufhören müssen, weil es einfach zu viel Arbeit war, mit Serien und mit Babys zu Hause.
Michael Schuh (TrekZone.de): Lernen deine Kinder auch Musik?
Frederik Wiedmann: Ja. Beide Klavier.
Michael Schuh (TrekZone.de): Schön.
Frederik Wiedmann: Ja.
Michael Schuh (TrekZone.de): Zurück zu Soundtracks. Wie wählst du Instrumente und Klangfarben im Allgemeinen aus, um Atmosphäre zu erzeugen?
Frederik Wiedmann: Das passiert intuitiv. Manchmal ist es eine konkrete Entscheidung. Vielleicht kommt Feedback vom Regisseur, der dann sagt: Hier brauche ich unbedingt ein Cello. Dann muss man versuchen, die Emotion richtig zu übersetzen, mit dem erbetenem Instrument. Oft ist meine eigene Entscheidung. Zum Beispiel im “Prinz der Drachen”/ “Dragon Prince”. Da haben wir viele ethnische Instrumente, Flöten und Streichinstrumente aus aller Welt. Es auf großen Spaß, die zu verwenden. Sie klingen unorthodox und ungewöhnlich. Wie kann ich das jetzt hinkriegen mit einem armenischen Instrument? Hier, wo es um Mord und Totschlag geht? Eine interessante Herausforderung; etwas anders zu vertonen, als so, wie es erwartet wird.
Michael Schuh (TrekZone.de): Wie balanciert man Musik, um die Dialoge und Soundeffekte nicht zu übertönen?
Frederik Wiedmann: Man entwickelt eine Sensibilität dafür, wo Soundeffekte eine Rolle spielen werden. In der Postproduktion, als Komponisten, wenn der Sound noch nicht fertig ist, kommen Platzhalter-Vertonungen rein.
Michael Schuh (TrekZone.de): Sind die Dialoge dann schon drin?
Frederik Wiedmann: Die Dialoge sind da. Viel wird noch geändert und neu aufgenommen; aber im Grunde ist alles da.
Michael Schuh (TrekZone.de): Und die Dialoge hört ihr auch…
Frederik Wiedmann: Ja. Es gibt dann da so ein paar Regeln. Wenn jemand ganz leise flüstert, muss die Musik dezent bleiben. Wenn du willst, dass das Publikum deine Musik hört, musst du das eben so machen, dass sie dann laut ist, wenn sie nichts anderes stört. Schwierige Sache; vor allem, wenn Leute leise reden.
Wenn ihr jetzt was Komplexes komponiert und da dann jemand leise redet, dann wird deine Musik in der Mischung einfach runtergedreht. Man muss also überlegen: Was kann ich jetzt hier machen? Was hat den größten Impact? Während einer großen Explosion wirst du nie gewinnen mit deiner Musik. Das heißt, du musst dann quasi da ein kleines Musik-Loch für die Explosion gestalten. Wenn du jetzt einen großen Hit oder einen großen musikalischen Moment hast: der darf nicht direkt auf der Explosion liegen. Sowas geht in neun von zehn Fällen in der Mischung verloren. Sowas lernt man im Laufe der Zeit. Crescendo auf der Explosion. Erfahrungssache. Ich mache das schon seit 20 Jahren, mehr oder weniger. Ich habe viel gelernt.
Michael Schuh (TrekZone.de): Was war das Schwierigste beim Komponieren des “Star Trek”-Soundtracks? Und was war das Schönste?
Frederik Wiedmann: Die schwierigste und die schönste Erinnerung ist beides das Gleiche, das Stück “Make It So”, über das wir ja schon gesprochen haben. Der Schreibprozess und das Warten auf Feedback, der immense Druck: das war wirklich eines der schwierigsten, herausfordernden Sachen, die ich je komponiert habe. Keine Frage. Einfach, weil es so viel Druck vom Fandom gab, von den Erwartungen, der Legacy, von “Star Trek”. Ich wusste genau, das wird ein Stück, das viel besprochen wird. Das war auf jeden Fall das, was mich am meisten gestresst hat. Als es fertig war, wurde die Aufnahme zum absolut schönsten Moment im ganzen Prozess; dieses Stück zu dirigieren! Ich habe es selbst dirigiert, weil meine Frau zu dem Zeitpunkt nicht in L.A. war.
Michael Schuh (TrekZone.de): Was war denn das Zweitschlimmste?
Frederik Wiedmann: Gab es eigentlich nicht. Bis auf dieses eine Stück war es wirklich eine super Erfahrung, start to finish [von Anfang bis Ende]. Würde ich jederzeit wieder machen. Mit dem gleichen Team. Kein Problem.
Michael Schuh (TrekZone.de): Denn wollen wir hoffen, dass es die “Star Trek: Legacy”-Serie geben wird irgendwann 2025.
Frederik Wiedmann: Ja!
Martin Ackermann (TrekZone.de): Gab es Menschen, die dich extrem inspiriert haben, in die Richtung Filmmusik zu gehen? Nicht nur Jerry Goldsmith oder James Horner, sondern vielleicht auch aus dem privaten Umfeld?
Frederik Wiedmann: Also, wie gesagt, Nick, der Augsburger. Der war ein sehr großer Einfluss für mich, weil ich bei ihm das erste Mal gesehen habe, dass das jemand macht. Filmmusik ist ein abstrakter Job. Ich konnte mir bis dahin gar nicht vorstellen, wie so Alltag überhaupt aussieht. Wie komponierst du Musik für Film? Keine Ahnung! Er war ein großer Einfluss.
Der zweite Einfluss war wirklich mein erster Boss, John Frizzell in L.A. Da habe ich dann selbst mitgearbeitet, habe gesehen, wie man das alles macht, von vorne bis hinten. Ich habe quasi das Handwerk gelernt. Die zwei die großen Einflüsse für mich.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Was waren die wertvollen musikalischen Lektionen in Deinem Leben?
Frederik Wiedmann: Das ist eine interessante Frage. Das Berklee College of Music, wo ich ja studiert habe, die haben einen Schwerpunkt auf Jazz. Bevor ich ans Berklee College kam bin, war ich ja Jazz-Gitarrist. Nicht sehr gut, aber ich hab’s verstanden und gespielt. Jazz ist sehr mit Theorie verbunden. Du kannst nicht Jazz spielen, ohne zu wissen, was du tust. Das geht Hand in Hand. Das ist ja eine völlig andere Harmonielehre als die klassische. Ich hab eben in meiner Zeit am Berklee College sehr detailliert Jazz-Harmonielehre gelernt. Drauf hatte ich mich fokussiert, das hat mich sehr fasziniert. Ich merke heute noch, dass sich mein Kompositionsprozess an der Jazz-Harmonielehre anlehnt und nicht auf klassischer Harmonielehre. Ich ertappe mich da immer wieder mal, wenn ich über Akkorde nachdenke, habe ich meistens ein Real Book vor Augen und kein klassisches Notenpapier…
Real Books enthalten Notationsarten zahlreicher Jazzstandards. Ein Real Book wird auch gerne als „Bibel des Jazz“ bezeichnet.
Michael Schuh (TrekZone.de): Kannst du kurz den Unterschied für Laien erklären?
Frederik Wiedmann: In Jazz analysiert man Akkorde und Harmonien um ein Zentrum. Da ist die Haupttonart von dem Stück die 1. Und dann gibt’s die 2, die 3, die 4, die 5, bis zur 8. Und dann bist du wieder bei der Haupttonart. In einem Jazzstandard, zum Beispiel, da hast du jetzt c-Moll; das ist jetzt die 1. Und G7 ist die 5. Wenn du jetzt aber in dem Stück den G7-Akkord zum g-Moll machst, dann ist es die Fünf-Moll, zum Beispiel. In traditioneller Harmonielehre würdest du das nicht “Fünf-Moll” nennen.
Und das ist eben das Tolle am Jazz. Du kannst quasi sämtliche Tonarten mit dieser Methode interpretieren und dadurch dann auch neue Ideen entwickeln: Bist du beim 5-Moll angekommen und denkst dir: jetzt kann ich ein “Sechs-Sieben” machen. Das baut man sich dann so zusammen. Das ist ein sehr analytische Ansatz, jeden Akkord und jeden Ton eben so zu sehen; im Verhältnis zu dem, was davor und danach kommt. Schwierig zu erklären. Ich hoffe, ich konnte ein wenig Einblick vermitteln.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Gibt es etwas in deinem Leben, wofür du sehr dankbar bist?
Frederik Wiedmann: Für alles eigentlich. Im Grunde hat sich alles so entwickelt, wie ich es mir vorgestellt habe. Es war oft nicht sehr einfach. Also am meisten dankbar bin ich meiner Frau, die schon seit 20 Jahren an meiner Seite steht in diesem wirklich turbulentem Business. Dadurch, dass auch sie Musikerin ist, hat sie viel Verständnis. Wenn ich ihr sagen muss, ich muss jetzt Sonntagabend noch ein paar Sachen mischen, dann hat sie absolutes Verständnis. Ich bin wirklich immens dankbar.
Frederik Wiedmann: Sie ist so passioniert in der Musik wie ich auch. Da wir viel zusammenarbeiten, ist es eigentlich immer eine sehr harmonische und eher tiefe Atmosphäre.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Das ist richtig cool!
Michael Schuh (TrekZone.de): Schön!
Martin Ackermann (TrekZone.de): Gibt es denn einen Film, den du besonders magst und wo du liebend gerne die Musik ‘da’zu geschrieben hättest, wenn du die Chance gehabt hättest?
Frederik Wiedmann: “Forrest Gump”! Das ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Und die Musik ist so toll! So etwas hätte ich sehr gerne mal selbst gemacht. Ein tolles biografisches Drama mit so vielen Facetten. Sehr interessant, musikalisch.
Martin Ackermann (TrekZone.de): Da drück ich dir die Daumen, dass beim nächsten mal eine Art “Forest Gump” dabei rauskommt.
Frederik Wiedmann: Danke schön!
Michael Schuh (TrekZone.de): Danke für das schöne Interview! Es hat uns viel Spaß gemacht!
Frederik Wiedmann: Mir auch! Vielen Dank, dass ihr mich im “Studio” gehabt habt! Es hat mir sehr viel Freude gemacht mit euch zu reden! Bis zum nächsten Mal!
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